Stimmen zum Film
„Wir sehen voneinander“
„Wir sehen voneinander erzählt auf unaufdringliche und sensible Weise von der vierjährigen, gehörlosen Selina, die das große Glück hat, mit hörenden Eltern aufzuwachsen, die erkennen wie wichtig die Gebärdensprache für ihr Kind ist. Selina ist ein bezauberndes, fröhliches und intelligentes Mädchen. Sie nimmt uns an die Hand und führt uns in ihre Welt. Eine Welt, die überhaupt nicht still ist, sondern bunt und laut und bewegt. Ich habe mir diesen Film sehr gerne angeschaut, weil er Mut macht, das Anderssein des eigenen Kindes zu akzeptieren.“
Caroline Link (Regisseurin von „Jenseits der Stille“)
„Lilo Mangelsdorffs Dokumentarfilm „Wir sehen voneinander“ … begleitet das Kind auf seinem Weg, sich aus der Welt der Stille jene der Hörenden zu erobern. Doch was die Regisseurin damit leistet, ist weit mehr als die geduldige Beobachtung eines süßen kleinen Mädchens mit Behinderung. Mangelsdorff nähert sich ihrem Thema vielmehr von verschiedenen Seiten. Und tastet sich Szene für Szene, Sequenz für Sequenz behutsam in eine andere, fremd anmutende Welt vor. „Für mich war das wie eine Reise in ein anderes Land“, so die Frankfurter Filmemacherin, und an dieser ebenso spannenden wie neugierig und einfühlsam beobachteten Reise lässt sie den Zuschauer teilhaben. „Christoph Schütte, FAZ
„… Lilo Mangelsdorff entführt nun mit den Mitteln des Dokumentarfilms in diese fremde Welt und lässt den Zuschauer Anteil nehmen am Leben der vierjährigen gehörlosen Selina, ihre hörenden Eltern und ihres gemeinsamen Umfelds. Schnell lernt man, dass Gehörlosigkeit nicht taubstumm bedeutet. Mehr noch: „Taubstumm“ ist für Gehörlose eine Beleidigung, können sie sich doch in ihrer Sprache durch Gestik und Mimik ausdrücken. Die aber war ihnen lange verwehrt worden. Die schon während der Aufklärung von dem französischen Abbé de L’Epée entwickelte Gebärdensprache wurde vor knapp 100 Jahren auf dem Mailänder Kongress international als Lehr-Sprache geächtet und hierzulande erst 1998 in Hessen als Minderheitensprache anerkannt. Viele Ärzte raten auch heute noch vom Erlernen der Gebärdensprache ab, bevorzugen die Lautsprache.
Selinas Eltern haben sich entschlossen, ihre Tochter bilingual zu erziehen und deshalb selbst die Gebärdensprache erlernt. Unaufdringlich begleitet die Kamera Selina durch ihren Alltag: im integrierten Kindergarten, der ihr nicht das Gefühl vermittelt, die einzige „Behinderte“ zu sein: beim Spiel mit Freunden und dem kleinen, hörenden Bruder: bei Unternehmungen mit den Eltern, vom Vorlesen bis zum Treffen mit anderen Gehörlosen-Familien. Daneben stehen erfreulich knapp gehaltene, zugleich stets informative Statements von Sprach-Professoren und Mitarbeitern der Gehörlosengemeinsacht PAX.
Auch einige erwachsene Gehörlose erzählen von ihrer Kindheit und den Schwierigkeiten, sich in der Welt der Stille einzurichten. Zugleich schlägt der Film einen Bogen zur Begegnung der Gehörlosen mit der Kunst: Ein Gehörlosen-Chor lernt durch die Vibrationen einer mit Wasser gefüllten Klangschale Töne „fühlen“, der Gebärdenkünstler Jürgen Endress trägt Gebärdensprachen-Poesie vor, man spielt Theater und gestaltet Gottestdienste mit.
Alle diese Eindrücke haben Lilo Mangelsdorff und ihre großartige Kamerafrau Sophie Maintigneux, mit der die Regisseurin bereits das Pina-Bausch-Projekt „Damen und Herren ab 65“ beeindruckend umgesetzt hatte, in klare Bilder gefasst, die die Protagonisten nie ausstellen. Kein belehrender Off-Kommentar stört diesen liebevollen und behutsamen Einblick in den Alltag, die Kultur und Sprache von Gehörlosen, sodass man sich ganz auf die (untertitelte) Laut- und Gebärdensprache einlassen kann. Das dieser Sensibilisierungsprozess so wunderbar funktioniert, liegt einerseits an Mangelsdorffs emphatischer Herangehensweise, andererseits am Charisma ihrer kleinen „Hauptdarstellerin“. Die Neugier und die Lebensfreude der am Ende der Dreharbeiten fünf Jahre werdenden Selina übertragen sich auch auf den Zuschauer, der das Kino mit dem selten gewordenen Gefühl einer inneren „Bereicherung“ verlässt.“
Rolf-Ruediger Hamacher, film-dienst 14/2007
„Wir sehen voneinander“ führt die Hörenden in die Welt der Gehörlosen ein und sensibilisiert sie für ihre Probleme …“
Stephan Kyrieleis, Radio X