Wir sehen voneinander


Wir sehen voneinander

2006, 91 Min., 35mm / DCP
in deutscher Laut- und Gebärdensprache, jeweils mit Untertiteln

 
Regie & Schnitt: Lilo Mangelsdorff
Kamera: Sophie Maintigneux, Andreas Frowein, Lilo Mangelsdorff
Ton: Michael Busch, Winnie Gamisha, Wolfgang Schemmert
Produktion: Cinetix mit ZDF/3Sat,
gefördert durch die Hessische Filmförderung
Verleih / DVD: LiMa Media Lilo Mangelsdorff
Prädikat Wertvoll FBW

 

Die Geschichte der gehörlosen Selina lässt uns erahnen, was es bedeutet, sich von der Welt der Stille aus die Welt der Hörenden zu erobern.
Wir begleiten Selinas hörende Eltern ein Stück auf dem Weg, den sie für ihr Kind suchen und bekommen einen Einblick in die Kultur und Sprache der Gehörlosen. Wir sehen voneinander alles, was uns zu Ohren kommt … Eine Lektion für Hörende.

Augen zum Sehen und Ohren zum Hören – über diese natürliche Tatsache denken wir meist erst nach, wenn wir Menschen begegnen, die nicht sehen oder taub sind für den Klang der Sprache.
Selina ist gehörlos geboren: eine Entdeckung, die Eltern vor unerwartete Probleme stellt. Sie fragen sich: wie wollen wir mit unserem Kind kommunizieren, wieweit wird unser Kind lernen, zu kommunizieren?
Welche Möglichkeiten der Kommunikation kann ich aufbauen, welche Techniken gibt es überhaupt und wie kann ich meinem Kind alles mitgeben, was es braucht, wie kann ich es erziehen.

Selinas Eltern nehmen alle Möglichkeiten wahr, die sich ihnen in erreichbarem Radius anbieten. Sie hören Fachleute an, die zu einer technischen Lösung raten. Sie nehmen Kontakt mit Gehörlosen auf, um sich ein eigenes Bild zu machen. Und sie beschäftigen sich viel mit ihrem Kind. Selina ist ein aufgeschlossenes, quirliges Kind und man vergisst nicht so schnell ihre wachen Augen, ihr Sprechen mit dem ganzen Körper, ihre Gestik, sichtbares Denken und Beobachten!

Die Eltern lernen Gebärdensprache und haben sich für eine bilinguale Erziehung entschieden. Sie kommunizieren mit ihrem Kind sowohl in Gebärden- wie in Lautsprache. Beide Sprachen schließen sich gegenseitig nicht aus, es gibt kein „entweder oder“ sondern ein „sowohl als auch“. Ein Verhalten, das noch keineswegs selbstverständlich ist und Engagement und Einfühlungsvermögen verlangt. Die Eltern entdecken: „die Gehörlosenwelt, die Gebärdensprache und Kultur der Gehörlosen ist ja eine ganz eigene Welt und damit muss man sich auseinandersetzuen und es auch akzeptieren.“

Gebärdenspracche ist erst seit 1998 in Hessen als offizielle Minderheitensprache zugelassen!!! Eine visuelle, dreidimensionale Sprache mit eigener Grammatik, ausgedrückt in Handzeichen, Handstellungen, Mimik und Bewegungsrichtungen. Eindrucksvoll, wie Goethes „Türmer“lied: „Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt …“ in Gebärdensprache dargestellt wird. Das Erlernen der Gebärdensprache ermöglicht gehörlosen Kindern einen natürlichen Spracherwerb. Gehörlose Menschen entwickeln ein äußerst differenziertes Sehen und Spüren, nehmen Vibrationen wahr und können so Töne fühlen. „Gehörlosigkeit bedeutet nicht taubstumm! Das ist nicht stumm. Ich kann mich ausdrücken. Nur weil ich nicht sprechen kann, bin ich nicht stumm. Das stimmt so nicht. Außerdem ist das Wort taubstumm eine Beleidigung.“ (Dr. Daniela Happ im Film)

„Ich brauche eine Sprache, damit ich die Welt begreifen kann, d.h. damit die Welt mir als Kind erklärt werden kann und umgekehrt ich der Welt … erklären kann, wie ich die Welt wahrnehme, was ich denke, was ich fühle, was ich erlebe.“ Prof. Dr. Manfred Hintermair im Film)

„Sprache ist kein Schmuckstück, sondern da hängt meine ganze Identität dran, da hängt mein ganzes Denken dran, meine ganze Begrifflichkeit, meine Kognition, Lernen usw.“ (Prof. Dr. Siegmund Prillwitz im Film)

Dieter Fricke, gehörloser Künstler in der Kunsthalle Schirn

Sprache ist interaktive Welt-Erschließung.

Der Film von Lilo Mangelsdorff zeigt durch den Weg von Selina – bis zu ihrem 5. Geburtstag – auf, welche Möglichkeiten vorhanden sind, mit Gehörlosigkeit umzugehen und sich damit auseinanderzusetzen. Die Kamera schaut Selina fast beim Denken zu, wenn sie etwas nicht versteht, können wir es ihr nachfühlen. Der Film führt uns Hörende in eine ganz andere Welt, die wir als grosse Bereicherung erfahren können.

 

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